
Julius Schien
Rechtes Land
Über Umwege kam Julius Schien (*1992) mit Ende 20 zum Studium der Dokumentarfotografie an der Fachhochschule Hannover, wo er auch heute noch lebt und arbeitet. In seiner fotografischen Praxis setzt er sich intensiv mit der Frage auseinander, was es bedeutet, sich im 21. Jahrhundert mit dem politischen Erbe Deutschlands und der rechten Kontinuität des Landes zu beschäftigen.
In seinem Langzeitprojekt Rechtes Land dokumentiert Julius Schien drei Jahrzehnte rechter Gewalt in Deutschland und zeigt auf, wie tief der Rechtsextremismus noch immer in der Gesellschaft verwurzelt ist. Durch menschenleere Großformatfotografien und ergänzende Texte erzählt er die Geschichten von mehr als 200 Menschen, die seit dem Jahr 1990 Opfer rechtsradikaler Angriffe geworden sind.
Dabei entsteht ein einzigartiger visueller Katalog der Tatorte, die als leere Bühnen in den Fokus rücken. Ziel des Projekts ist es, alle Orte zu dokumentieren, an denen seit 1990 Menschen durch rechtsextreme Gewalt ums Leben kamen, und so ein umfassendes Nachschlagewerk dieser Schicksale und ihrer Orte zu schaffen. Schiens Arbeit soll dazu anregen, sich intensiver mit Rechtsextremismus im eigenen Umfeld auseinanderzusetzen. Durch die unverhüllte Dokumentation der Tatorte kontextualisiert er die Banalität des Bösen an scheinbar unscheinbaren Orten und führt dadurch die alltägliche Absurdität rechtsextremer Gewalt vor.
Seit drei Jahren arbeitet er an der Recherche und Umsetzung von Rechtes Land. Das Projekt wird durch den Publikationsfonds der Stiftung Kulturwerk gefördert und erhielt 2023 eine Honorable Mention im TruePicture Förderprogramm. Es war Teil des Rahmenprogramms der World Press Photo Ausstellung 2024 in Oldenburg und wurde als Best Portfolio 2024 vom Freundeskreis des Hauses der Photographie der Deichtorhallen Hamburg ausgezeichnet. Julius Schien ist Teilnehmer der Masterclass On Documentary Photography 2024/2025 des PhMuseum in Bologna und wird seine Arbeit bei den Journées photographiques de Bienne in der Schweiz ausstellen.
Ergänzender Text zum Foto
01_Rechtes-Land_1990-07-01_Erfurt_Heinz-Maedel_(C)Julius- Schien
01-07-1990 – ERFURT
Auf einem Spaziergang in der Erfurter Innenstadt begegnet Heinz Mädel einer Gruppe von rechtsextremen Skinheads. Zwei 18-jährige Frauen lösen sich von der Gruppe und greifen Heinz unvermittelt an. Als dieser sich zu wehren versucht, schlagen sie den 58-Jährigen zu Boden und beginnen ihn mit Fußtritten zu malträtieren. Heinz Mädel erliegt wenige Tage später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Bis heute wird er in keiner offiziellen Statistik aufgeführt.